Die folgende Geschichte trug sich zur Zeit Laotses zu:
"Ein alter Mann lebte in einem Dorf, sehr arm aber selbst Könige waren neidisch auf ihn, denn er besaß ein wunderschönes weißes Pferd.
Obwohl ihm phantastische Summen geboten wurden erklärte der Mann "Dieses Pferd ist für mich kein Pferd, sondern ein Freund und wie könnte man einem Menschen seinen Freund verkaufen!"
Die Leute schüttelten den Kopf ob soviel angeblicher Dummheit.
Eines Morgens war sein Pferd verschwunden. Das ganze Dorf versammelte sich und die Leute sagten: "Du dummer alter Mann. Wir haben es schon immer gewusst, dass das Pferd eines Tages gestohlen wird. Oh hättest Du es doch verkauft!"
Der alte Mann sprach: "Geht nicht so weit. Tatsache ist, das Pferd ist nicht im Stall. Alles andere ist Urteil. Ob es ein Unglück ist oder ein Segen, weiss ich nicht, weil dies ja nur ein Bruchstück ist.
Wer weiss, was folgt?"
Die Leute lachten den Mann aus.
Nach fünfzehn Tagen kam das Pferd zurück. Es war in die Wildnis ausgebrochen und brachte ein Dutzend herrlicher Wildpferde mit.
Wieder versammelten sich die Leute und meinten "alter Mann, Du hattest doch recht. Es ist kein Unglück. Es hat sich tatsächlich alles zum Segen gewendet."
Der alte Mann erwiderte: "Und wieder geht Ihr zu weit. Tatsache ist nur, dass das Pferd zurück ist. Ihr lest nur ein einziges Wort in einem Satz. Wie könnt Ihr das ganze Buch beurteilen?"
Der alte Mann hatte einen Sohn. Dieser trainierte die Wildpferde. Dabei geschah es, dass er stürzte und sich die Beine brach.
Die Leute versammelten sich wieder und urteilten:"Was für ein Unglück. Nun kann der Sohn seine Beine nicht mehr gebrauchen und kann seinem Vater keine Stütze mehr sein. Jetzt ist er ärmer als je zuvor."
Der Alte sprach: Ihr seid besessen vom Urteilen. Sagt nur, dass mein Sohn seine Beine gebrochen hat. Niemand weiss, ob dies ein Unglück ist. Das Leben kommt in Fragmenten und mehr bekommt ihr nicht zu sehen."
Es ergab sich, dass ins Land der Krieg kam. Alle jungen Männer wurden als Soldaten eingezogen. Nur der Sohn des Alten blieb zurück, weil er verkrüppelt war. Im ganzen Dorf war Klagen und Wehgeschrei, weil jeder wusste, es kehrt keiner mehr zurück.
Sie kamen zum alten Mann und sagten: "Nun hat es sich als Segen erwiesen, dass Dein Sohn verkrüppelt ist. Dein Sohn ist bei Dir und unsere sind für immer fort."
Der alte Mann antwortete: "Ihr hört nicht auf zu urteilen. Nur dies ist wahr, dass mein Sohn bei mir ist und Eure im Krieg. Nur Gott, nur das Ganze weiss, ob dies ein Unglück oder Segen ist."
Sonntag, 14. Dezember 2008
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